100 Komponistinnen in 100 Gedichten
Das Buch mit den Gedichten von Sophie Reyer ist im Druck.
Es wird am 1. September zur Eröffnung der neuen Ausstellung im Bezirksmuseum Leopoldstadt präsentiert.
http://www.editionkeiper.at/
Gender ist komisch, sagt die Philosophin in der musikologischen Diskussion.
Gender-Musikologie gibt es nicht, sagt die Prorektorin einer Musikuniversität. Und die Komponistin stimmt ihr zu.
Gender ist komisch.
Die Prorektorin sagt, sie brauche keine Vorlesungen zu feministischer Musikologie an ihrer Musikuniversität.
Gender ist schon komisch.
Frauen in der Musikologie:
Gesellschaftsdame ohne Gesellschaftsherrn.
Salonniere ohne Salonier.
Muse, meist weiblich.
Heilige Cecilie, abgehoben, ausgehebelt.
Rechtlos, Urheberrechtslos.
Inspiration ohne Gegenleistung.
Liebesgabe, erst recht wertlos.
Körperlos, wie die Stimmen der Toten oder des Radios aus dem Jenseits.
Gesichtslos, wiedererkennbar.
Auf den Brunnen der Komponisten knieend wie auf Grabmalen.
Die Salondame – nicht mehr als ein Rollenfach.
Ermutigerin und Vorkämpferin,
Anregerin und Gastgeberin,
Frauenrechtlerin, auch wieder so ein Fach, dass es auf der Uni nicht gibt.
Feministin! – als ob das ein Beruf wäre oder eine Partei.
Begriffe für Frauen von Männern, die weder in ein Berufsschema noch in eine Ausbildungsstruktur passen.
Keine Funktion, nur Aussonderung.
Die Annahme der Zuschreibung als Aufforderung zum Verzicht.
Ausschlussgrund für die Orden- und Ehren-vergebende Hierarchie,
das Recht zur Verweigerung – kein Frauenrecht –
des Ehrenplatzes auf den Marmortafeln
der Ehrenmitgliedschaften
der Einschreibung in die Musikgeschichte.
Ringvorlesung und Internet Plattform,
markiert als Gender-sensibel und Diskriminierungs-kritisch
Wahlfach
Ergänzung
Stabsstelle mit Gleichstellung
Außerhalb der wissenschaftlichen Kategorien
der Lehrgänge und Curricula.
Kein Bachelor, kein Master
dem System Musikwissenschaft eine Befestigungsmauer bauend.
uneinnehmbar
gebaut aus den Waffen der Wissenschaft
von Habilitation bis Professur
von Kanzeln und Stühlen
Assistenzen-umkränzt,
Aufstiegschancen auf einer ausweglosen Karriereleiter.
Umweg ist Absturz ist Fehltritt.
Aufstiegschancen speziell für Frauen
Frauenstipendien
die Diskriminierung gleich in die Ausschreibung getaucht
den nimmermüden einsamen Kämpferinnen das Wasser abgrabend.
Außeruniversitäre Archive
Aufgerieben im Ehrenamt
Von Subvention zu Subvention
Außerhalb jeglicher Gehaltsschemata
Im fortdauernden Mangel
erst recht belächelt.
Gender-Musikologie ist kein Thema
das Werk einer Komponistin im Instrumentalunterricht
kein Muss.
Wie schreibt man die Farrenc?
Auch wenn in Österreich am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde Mathilde Kralik von 1876 an bis 1878 studierte und absolvierte, ausgezeichnet vor ihren Studien-Kollegen Gustav Mahler oder Hans Rott, wurde ihr Werk in den Brahms-Saal des Musikvereins in musikalisch deklamatorische Frauenabende abgeschoben.
Frauenabende aber keine Männerabende,
Klub der Wiener Musikerinnen,
kein Klub der Wiener Musiker.
Die Mitgliedschaft erlaubt,
der Zugang erschwert.
Behinderungs-Gerechtigkeit
Frauen-gerecht.
Frauenbünde als Anachronismus.
Männerbünde als Elite.
Beichtväter für Nonnen.
Klosterfrau … geist.
Missgriff – die Tabus, die die Komponistin aufgreift,
Mutprobe – die des Komponisten,
das System stützend, wenn jene es ins Wanken bringt.
Der Selbstmord der Komponistin erregt Scham,
der Selbstmord des Komponisten Interesse,
in ihrem Fall wird das Werk vernichtet, in seinem erhebt sich der Entdecker.
In memoriam Friederike Gottwald, der Unbenannten.
Die Geschichte der Komponistin als Geschichte der Einsamkeit.
Das Betreten des Metiers nicht Neuland sondern Verirrung.
Abgewandt der Neugier
unwertes Wissens
im dunklen Nichts der Ignoranz, in das die wissenschaftlichen Bemühungen um Sichtbarkeit der Komponistinnen sang- und klanglos hineinfallen, die zahlreichen profunden Publikationen zu Leben und Schaffen der Komponistinnen und die historisch-kritisch Notenausgaben, verloren gehen.
Frauen-Reihen. BiografiA.
Wegbahnung als Weg-Weisung
durch die dunkle Seite der Musikgeschichte,
Abgang, Absturz,
Irrweg, Holzweg, Cul-de-sac, aussichtslos.
Vorgangs-los, Vorgängerinnen-los.
Nicht einmal Pionierin, nur Einzelgängerin sein.
Vorkämpferin ohne Nachhut,
Avantgarde ohne Mitstreiter,
ausgegrenzt, selbstbegrenzt
wie Elfriede Jelinek,
der das Komponieren abhanden kam,
nach vielversprechenden originären Liedkompositionen,
die den Kampf aufgab
um für die Kämpfe in anderen Künsten ihre Kräfte zu sammeln,
wie Sophie Reyer.
Die Künstlerin der Vielseitigkeit war als Filmemacherin und Komponistin erfolgreich und schlug doch den Weg der Dichterin ein.
Ihr Weißes Rauschen, ein theatrales Streichquartett für Instrumente und drei Stimmen, das vom vielfachen Missbrauch klang, erschreckte.
Als ob die Tuchent der Bildungsbürgertums-Bettung
Weggezogen
den kalten Hauch
schmerzhaft wie die Verstümmelung des Geschlechts
der ungebildeten Welt zugelassen hätte.
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